Als erstes gingen wir am Wochenende auf Pilzjagd. Stundenlang durch den Wald streifen und die verborgenen Schätze unter dem dichten Nadelteppich zu erspähen… gar nicht so einfach, braucht ein geübtes Auge, aber darauf hatte ich mich echt gefreut!
Mit den Fundorten ist es wie mit den Fischgründen, jeder ist sich selbst der Nächste und gibt seine geheimen Plätzchen niemals preis. Man braucht schon so etwas wie einen Röntgenblick, oder sagen wir einfach, ganz viel Erfahrung, um den Waldboden mit den Augen abzuscannen und die verräterischen kleinen Erhebungen unter den Kiefernnadeln ausfindig zu machen.
November, Dezember geht die Jagd nach den frischen Wildpilzen los. Und das heisst für uns Pilzfans Korb und altes Messer einpacken und ab in die Berge. Zehn Tage nach dem ersten Regen, anfangs November, wenn der Südwind noch einigermaßen warm ist und die Temperaturen so um die 10 Grad, erscheinen oben in der Hochebene Pezi die ersten wilden Pilze. Ein Phänomen aus Raches und Messaria, also Nordwest und nördliches Mittel-Ikaria, wo die großen Kiefern- und Laubwälder vorkommen. Im eher kargen Osten rund um Agios Kyrikos und auf der steinigeren Südseite findet man viel weniger Pilze, was zur Folge hat, dass viele von der Südseite zu uns zur „Pilzjagd“ kommen. Es wird wohl an Weinachten und Neujahr keinen Festtagstisch ohne diese Delikatesse geben!
Erste Boten der Pilzzeit sind also die schönen, grossen Καλαμάρες (Kalamares oder Parasol). Sie wachsen zuerst oben in den Bergen und werden eine Woche später in den Wäldern von Karidies gefunden, noch später auf der Höhe von Christos und Tragostasi und der Chalaris-Schlucht und zu aller Letzt auf der Höhe von Agios Dimitrios bis runter nach Kato Raches.
Danach, wenn es genügend regnerisch feucht ist beginnen die anderen Speisepilze zuerst auch in den höher gelegenen Bergen und nach und nach in tieferen Regionen zu wachsen. Wenn sie in Agios Dimitrios vorbei sind, dann ist das ein sicheres Zeichen für das Ende der Pilzzeit.
Pilze gehören traditionell fest zum Winterspeiseplan. Sie sind sehr nahrreich und eine willkommene Ergänzung zum üblichen Wintergemüse. Genauso wie die wilden Kräuter sind auch die selbstgesammelten Pilze im gesunden Speiseplan der „Blue Zones“ nicht weg zu denken!
Bevorzugt werden sie auf Holzkohle direkt am Kaminfeuer geröstet. Mit einer Prise Salz, gutem Olivenöl und Zitrone beträufelt ein Leckerbissen! Auch im Backofen gebraten schmecken sie sehr aromatisch und sind eine Delikatesse! Wie sie genau zubereitet und haltbar gemacht werden, kannst du unter meinen Lieblings-Pilzrezepten weiterlesen…
Es gibt viele essbare Sorten. Aber Vorsicht! Da die ärztliche Versorgung und insbesondere der „Notfalldienst“ hier in Ikaria eher als rudimentär bezeichnet werden kann, ist man mit den Pilzen sehr vorsichtig. Man sammelt nur einige allen bekannte Sorten, unbekannte Pilze lässt man lieber stehen. Nicht umsonst haben diese Namen wie φαμελίτες (Famelites, weil sie die ganze „Fameglia“ Familie auslöschen), ελικοπτερίτες (Helikopterites, weil der Notfallhelikopter aus Athen gerufen werden muss) oder σκυλομανίτες (Skilomanites, weil sogar die Hunde draufgehen).
Ein sicheres Zeichen für sogenannt „gute Pilze“ sind die Wildziegen. Wenn diese sie fressen, sind sie auch gut für die Menschen. Das Problem ist, die Ziegen werden meist schneller fündig als die Menschen…