Weinernte

Die Weinlese – Ein dionysisches Fest

Seit der Antike hat sich weder Herstellungsart noch Qualität des Ikaria-Weines, des weltberühmten und in heutiger Zeit oftmals preisgekrönten „Pramnios Oinos“, verändert. Die besondere Qualität der Trauben, das Klima, der Boden, die Steinbottiche in welchen die Trauben noch mit blossen Füssen zerstampft und die in die Erde gelassenen Tonamphoren für die Aufbewahrung geben diesem Wein sein unvergleichliches Aroma und Qualität.

Von Faros bis zum Leuchtturm von Kavos Pappa, von Proespera bis Kampa, alle Ikarioten warten nur auf den richtigen Zeitpunkt. Einige messen den Zuckergehalt, während andere einfach eine reife Traube probieren. Für die Erfahrendsten reicht ein wissender Blick in die Weingärten. September ist der Monat der Weinlese, welche zuerst in den heißeren, küstennahen Regionen beginnt.

Weinherstellung

Ein Monat mit ausgeprägter landwirtschaftlicher Aktivität und leidenschaftlichen Diskussionen aller einheimischen Landwirtschftsexperten! Nach den Diskussionen beginnt die Planung. Es gilt Freunde, eventuell gar bezahlte Arbeitskräfte zu finden für die Ernte der reifen Trauben. Die traditionelle ,,Allaksa“, eine Form der   Arbeitsteilung funktioniert noch immer: wer seinen Freunden oder Nachbarn bei der Ernte hilft, kann handkehrum genauso auf deren Unterstützung bei der eigenen Ernte rechnen. Ungelernte wie erfahrene Fachmänner, alte wie junge Personen, Theoretiker so wie die Autodidakten, alle kommen sie mit einem Korb und einer Weinschere bewaffnet in den Weinberg um zu helfen.

Ach was für eine unvergessliche Erfahrung! Wenn du vom Scheitel bis zu den Fußsohlen vom süßen Weinsaft und dem eigenen Schweiß der Arbeit klebrig bist und die Wespen eine bedrohliche Wolke um dich bilden! Wer kümmert sich schon um ein paar Stiche, wenn die ganze Arbeit einem dionysischen Fest gleicht? Wenn die unbeirrte Versorgung der Mutter Natur und die traditionelle Arbeit die Menschen so glücklich verbindet, wird jede unnötige Unterbrechung der magischen Atmosphäre vermieden.

Sonne, Hitze und der süßliche Geruch des frischen Weinsaftes. Lasst uns einige Flaschen für die ,,Mustalevria“ abfüllen! (eine besondere Süßspeise aus frischem Sauser, Mehl, Zimt und Nüssen, welche nur während der Weinlese gekocht wird) Denkt daran, einwenig unserer alten Tante zu bringen, welche seit dem 15.August davon träumt! Falls wir sie vergessen, wird der Teufel uns holen!

Der „Weintanz“

Nur noch wenige Idealisten wie mein Mann Pantelis stampfen den Wein mit „blossen Füssen“, wie es die Vorfahren jahrtausendelang taten. Die Meisten haben heutzutage mechanische  Pressen. Aber Pantelis weiss, dass die Qualität des Weines beim Stampfen beginnt: Holz und andere Pressrückstände machen den Wein bitter und pelzig aggressiv im Gaumen. Schonendes Pressen ist eine kräftezehrende Knochenarbeit, welche sich aber im Endeffekt immer lohnt!

Traubensaft

Und da kommt Pantelis vorbei, um uns zu necken, weil wir Amateure seien, während er natürlich den besten Wein produziere! Niemand hat ihm darin zugestimmt. Es reicht ihm, es selbst zu wissen. Das gilt natürlich für alle. Jeder behauptet von sich den besten Wein zu machen und ist unglaublich stolz auf seinen Weinberg, seine Arbeit und sein eigenes Produkt. Nun wird es schon langsam dunkel. Die letzten Trauben werden zerstampft und der Saft kommt aus dem Stampftrog direkt in die Fässer. Bald ist alles geschafft… oder fast alles… seit Stunden rumpeln unsere Mägen und schon können wir einen Rücken über den Grill gebeugt ausmachen und eine flinke Hand, die der Kohle eifrig Wind zufächelt. Alsbald bringen die Autos eine Horde müder Arbeiter, welche alle aus den Weinbergen dem Geruch des bratenden Fleisches gefolgt sind. Der edle Wettstreit geht weiter. In diesem Falle, weil jeder von sich selbst behauptet die absolut besten Fähigkeiten im Grillieren zu besitzen und so vertreibt er all die Anderen mit der Behauptung, das Fleisch würde ungenießbar, falls er nicht höchstpersönlich Hand anlegte.

Es ist dunkel geworden und die Sterne stehen wie gestickte Symbole leuchtend über die schwarze Kuppel verteilt. Jemand murmelt: « το στανιό του μέσα, δεν έχω ξαναδεί πιο πολλά αστέρια » (Dialekt: heiliger Strohsack, ich hab noch nie mehr Sterne gesehen!“) Ein altes Transistorradio quietscht bei jeder hohen Note der Geige und weiter drüben im Keller, in der absoluten Dunkelheit hat die Gärung des neuen Weines bereits begonnen.

Die süßeste Gärung, welche seit jeher den Menschen mit der Mutter Erde verbindet, die Freunde unter sich und die Fremden mit der ikariotischen Gastfreundschaft.

Καλό τρύγο και καλά κρασιά!

Gute Ernte und erlesene Weine! So der traditionelle Wunsch bei der Weinlese.

Fotos und Video von unserer eigenen Weinproduktion
Dionysos: antiker Gott des Weines, der Lebenslust und der Sinnlichkeit Wikipedia

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