Ein Erfahrungsbericht über das Auswandern von Anna Avramidis
Die Schönheit liegt oft in der Einfachheit, z.B. im Legen eines Mandalas am Strand, wie es hier mein Sohn Leander macht.
Ich erinnere mich gut an einen Freitagabend vor zwei Monaten, an dem ich mit meinem Mann, unserem Sohn und Hund in dem kleinen Dorf Gialiskari auf der griechischen Insel Ikaria ankam. Unser Auto und Anhänger waren vollgepackt mit den Dingen, von denen wir glaubten, sie seien das Nötigste was wir für unser neues Leben brauchten. Unser Ziel war es, die Einfachheit des Lebens auf dieser kleinen wunderschönen Insel neu zu erfahren. Von unserem recht großen Haus in Deutschland mit all seinem Komfort, wollten wir uns auf zwei kleine Appartements mit jeweils 25qm beschränken. Man versprach uns, sie seien voll ausgestattet mit allem was man zum Leben braucht. Als wir nach mehreren Tagen der Reise endlich ankamen, wurde uns zaghaft mitgeteilt, dass für die nächsten Wochen nur ein Appartement bereitstehen würde und auch die Ausstattung, wie Teller, Gabeln, Löffel usw. nicht vorhanden wäre.
So standen wir nun da, mit unseren Säcken und Koffern, deren Inhalt uns ein wenig Zuhause in der Fremde schaffen sollte. Das „Zuhause“ blieb zunächst verhüllt in den entsprechenden Behältnissen, was unsere Stimmung nicht unbedingt zum besseren wendete. Mein erster Impuls war – ich will nach Hause, auf meine Couch vor meinen Fernseher, unter meine Decke!
Nach dem ersten Schock entschieden wir uns das Leben wieder proaktiv in die Hand zu nehmen und kauften für jeden von uns das Nötigste: Einen Teller, eine Gabel, ein Messer etc. Wir kauften auch einen Kochtopf. Mehr war nicht nötig, da wir auch nur eine Herdplatte hatten. Wir reduzierten unser Leben also auf das, was man zum (Über-)leben braucht.
Nach einiger Zeit, die wir so verbrachten, fühlte es sich für mich fast wie ein Wunder an, denn nach und nach merkte ich, dass es nicht nötig war mehr zu besitzen. Nein, im Gegenteil, ein Leben ohne Spül- und Waschmaschine, ohne Staubsauger und diverse andere Elektrogeräte ist möglich. Und es ist nicht nur möglich, sondern auch sehr erleichternd, da es so einfach ist. Ich muss dazu sagen, die Menschen haben hier alle nicht viel, was materiellen Besitz betrifft. Aber sie haben sich und die Natur. Und all der Druck, den es mir in meinem bisherigen Leben bereitet hat, für die ganzen wundervollen Dinge, die es in meinem Heimatland gibt, zu arbeiten, viel auf einmal von mir ab. Drei Teller zu spülen macht viel weniger Arbeit als eine ganze Spülmaschine voller Geschirr ein- und auszuräumen.
Mittlerweile, nach zwei Monaten, haben wir unser zweites Appartement bezogen. Wir leben nun auf stattlichen 50qm inklusive unseres Büros. Und es kommt mir wirklich sehr groß und komfortabel vor. Unglaublich, aber ein Zimmer nutzen wir kaum, da wir uns so daran gewöhnt haben, alle in einem Bett zu schlafen.
Das Prinzip des „Weniger ist mehr“ konnte ich in den vergangenen Wochen erfahren. Es ist so befreiend zu erleben, mit wie wenig wir Menschen glücklich sein können und was für Trugbildern wir in unserer Wohlstandskultur oft nachlaufen – vielleicht auch einfach weil es alle so machen…
Natürlich hat auch hier, bei aller Freude über die Reduktion des Materialismus, ein Zuviel des Wenigen einen bitteren Beigeschmack. Unser Sohn Leander geht seit nunmehr zwei Monaten in Christos Raches zur Grundschule. Wir erlebten und erleben bei den Lehrern, so wie auch bei den Mitschülern eine große Herzlichkeit, die uns sehr berührt. Am ersten Schultag, als Leander noch sehr verunsichert seine neue Klasse betrat (er sprach kein Wort griechisch), wurde er voller Herzlichkeit und Wärme mit den Worten der Lehrerin „Wir wollen Leander alle umarmen“ empfangen. In den Pausen saß immer einer der Schüler neben Leander auf dem Schulhof, damit er sich nicht alleine fühlte. Wie Leander erzählt, wird im Schulbus auf dem Rückweg gemeinsam gesungen. Ein Kind fängt an zu singen und die anderen stimmen mit ein. So wird Mobbing im Schulbus, wie ich es in Deutschland vielerorts erlebt habe, direkt singend verhindert. All das ist für mich gelebte Menschlichkeit.
Und doch kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in den Schulen an vielem fehlt. Besonders in den beiden Schulen in Christos. Durch die feuchte kalte Luft hier oben kommt es immer wieder zu Problemen. Es wird auch deutlich mehr Heizöl im Winter verbraucht als in den Küstenregionen, in denen das Klima wärmer und trockener ist.
Gerade jetzt beginnt der Winter und die Schulleiterin sagte mir, dass ihr das Geld fehlt um Heizöl zu kaufen. Nun sitzen unsere Kinder tiefvermummt in der Schule, was kein Dauerzustand sein sollte. Eines Tages füllten sich die Heizöltanks wie von Zauberhand. Ich habe von Ursula´s Spendenaktion „Heizöl für die Schule“ erfahren und mich entschieden, diese aktiv zu unterstürzen, indem ich davon erzähle. Ursula Kastanias sammelt über ihre Webseite www.ikaria.ch Spendengelder, um die Schulen in Raches zu unterstützen.
Bitte unterstützt dieses Projekt. Die harten Wintermonate liegen noch vor uns. Wir freuen uns über jede Spende, die wir an die Schule weitergeben können.
Anna Avramidis
Vor ca. sechs Jahren haben mich sozusagen die Klänge der Klangschalen nach Ikaria gelockt. Als Musikerin und Dozentin der Klangtherapie und Klangpädagogik am Peter Hess Institut, hatte ich schon viel von dieser zauberhaften Insel gehört. Meine Schwester Emily, die zusammen mit ihrem Mann Peter das Institut leitet, kam jedes Jahr nach ihrer Seminarzeit dort, von Ikaria zurück und schien völlig aufgetankt und voller Lebensfreude. Da mein Mann Grieche ist, und wir schon lange (ca. 30 Jahre) erfolglos nach einem Ort in Griechenland suchten, an dem wir leben wollten, entschlossen wir uns schließlich, uns diese Insel mal anzuschauen. Es war eigentlich direkt klar, dass wir den Ort gefunden hatten, nach dem wir so lange gesucht hatten – komplett, emotional und mit Gänsehaut sozusagen. Hier können wir das, was wir den Menschen in unserer Arbeit mit der Musik und den Klängen mitgeben wollen jeden Tag erleben, ein entspanntes Sein und das Spüren und Fühlen das von ganz weit innen kommt.
Vita: Anna ist ausgebildete Sängerin und Gitarristin, Künstlerin, Peter Hess®-Klangpädagogin (KliK®) und Peter Hess®-Klangmassagepraktikerin, Erzieherin, Weiterbildungen als Frauen-Coacherin u.a. beim Awakening Woman Institut. Seminarleiterin (Klangpädagogik, Klangtherapie) des Peter Hess Institutes. Zusammen mit Niko Avramidis, Leitung der Peter Hess Akademie in Griechenland.