Der 15. August ist ein Meilenstein im griechischen Jahr. Eine Art Zeitwende. Es ist das Fest der Panagia, der Allheiligen Muttergottes, nach Ostern das bedeutendste Fest im griechisch-orthodoxen Kalender. Genau genommen ist es ,,Maria Himmelfahrt“ (griechisch: Kοιμηση της θεοτοκου) und in allen der heiligen Jungfrau geweihten Kirchen und Kapellen finden feierliche Messen und liturgische Zeremonien und anschliessend ausgelassene Tanzfeste/Panigyria statt.
In Ikaria sind es an diesem Tag 11 verschiedene Panigyria. Nicht immer sind es die größten Kirchen, bei denen die größten Feste stattfinden, oft feiern auch ganz unscheinbare, kleine Marienkirchen ihr Panigyri, ihre Schutzheilige, groß.
Das grösste und berühmteste Panigyri in Ikaria findet in Langada in Raches statt. Jedes Jahr strömen bis zu 5000 (!) Griechen und nicht nur, in die kleine Berg-Oase Langada, um bei Live-Musik, gebackener Ziege, einheimischem Wein und ikariotischem Tanz bis in die frühen Morgenstunden des anderen Tages zu feiern.
Die Muttergottes hat viele Namen:
- Panagia oder liebevoll auch Panagitsa (Verniedlichung) = Allheilige
- Theotokou = Muttergottes
- Despoina = Herrin, Gebieterin
Es ist der Namenstag von Maria, Marios, Panagiota, Panagiotis und Despina. Da Namenstage die wichtigen Feiern im Leben der Griechen sind und als ,,Haus-der-offenen-Tür-Fest“ ausgiebig gefeiert werden, im Gegensatz zu den Geburtstagen, welche nur bei kleinen Kindern eine Rolle spielen, hat jede Familie mindestens eine/n Jubilar/in und so feiert an diesem Tag ganz Griechenland.
Im alltäglichen Leben stellt der 15. August eine Art Sommerwende dar. Rund um den gesetzlichen Feiertag vom 15. August ist die offizielle Urlaubszeit für die meisten Betriebe und Unternehmen in Griechenland und der Exodus aus den Grosstädten an die Küsten oder auf die Inseln beginnt. Athen wirkt zu dieser Zeit ,,wie ausgestorben“! Da die meisten Griechen nur im August Urlaub haben, besuchen viele ihre Heimatinseln oder -dörfer. Ikaria hat ungefähr achttausend feste Einwohner und im Ausland leben mehr als hundertfünfzigtausend Ikarioten-Emigranten erster, zweiter und dritter Generation. Im August kommen sie alle von Athen, vom Festland, von Europa, aus Amerika und Australien um ihre Verwandten auf der Insel zu besuchen. Man könnte meinen, die Insel gehe vor lauter Menschen unter! Die Familien strömen zusammen und feiern gemeinsam.
Man spricht also von ,,prin tis Panagias“ oder ,,meta tis Panagias“, also vor (dem Fest) der Panagia oder nach der Panagia. Das Fest der Panagia teilt nicht nur den Sommer in zwei Hälften, sondern das ganze Jahr. Ist es vorbei, so beginnt man, sich ,,kalo chimona“, also einen guten Winter zu wünschen, da man nach Ende des Urlaubs die Verwandten und Familien auf den Inseln und Dörfern erst nach dem Winter wieder sehen wird. Obwohl der September und der Oktober zumeist noch sonnig und warm sind und sich hervorragend für Urlaub eignen, endet der große Touristenansturm mit dem Ende des Monats August.